Hintergrund des Projekts


Mit Blick auf das Bauhausjubiläum 2019 entschlossen wir uns, ein Projekt zu initiieren, um der zu Unrecht vernachlässigten Bauhaus-Meisterin Gertrud Grunow (1870-1944) mehr Präsenz und Stimme zu verleihen. 

Gertrud Grunow (1870-1944) war eine interdisziplinär arbeitende Wissenschaftlerin, tätig u.a. am Bauhaus Weimar und am Psychologischen Institut der Hamburger Universität bei Heinz Werner. Grunow arbeitete von 1920 - 1924 als Meisterin am Bauhaus in Weimar, gleichberechtigt neben Kandinsky, Klee, Itten, Muche, Schlemmer, Feininger. Trotzdem ist sie im Vergleich zu ihren Kollegen weniger bis gar nicht bekannt.  Dafür gibt es verschiedene Gründe.

Gertrud Grunow war die einzige weibliche Meisterin zur Weimarer Bauhauszeit, vergleichsweise älter als ihre Kollegen und quasi fachfremd: als Sängerin, Rhythmikerin, Musikpädagogin unterrichtete sie am Bauhaus eine selbst entwickelte Harmonisierungslehre, die auf Bewegung, Empfindung und Wahrnehmung von Farb- und Formbeziehungen beruhte. Dieser interdisziplinäre Ansatz, zusammen mit teilweise verlorenem bzw. verfälschtem Material, erschwert bis heute die Rezeption. Gleichzeitig besitzt die Vielschichtigkeit ihres Ansatzes mit dessen Nähe zu unterschiedlichen Disziplinen wie Kunst, Kunstpädagogik, Musik, Rhythmik, Harmonik, Gestaltpsychologie, Therapie etc. eine aus ganzheitlicher Sicht hohe Faszination, die eine intensive und auf aktuellen Erkentnissen beruhende Auseinandersetzung nahelegt.

 Die Bedeutung Grunows für die Gegenwart liegt in ihrem weitgreifenden Versuch eine auf Farben und Formen beruhende Strukturierung von Phänomenen, Wahrnehmungen und Weltordnung vorzunehmen, die ggf. therapeutische wie selbsterfahrende Wirkungen auslösen kann.

 

Eine einzelne künstlerische, historische, psychologische  oder anderweitig ansetzende Auseinandersetzung mit dem komplexen, zum Teil noch zusammentragenden und aufzuarbeitendem Material der "Grunow-Lehre" kann nicht durch eine Person oder Fachrichtung allein geschehen - dafür braucht es Experten, Autoren, Künstler verschiedener Fachrichtungen.

Mit Hilfe von Materialsammlung, Quellenrecherche, Literaturzusammenstellung, Autorengewinnung, Kontextbeschreibung etc. sollte eine Plattform für informative, künstlerische, diskursive wie kritische Beiträge bereit gestellt werden aus denen sich ein durchaus wandelbares Bild des bisher schwer greifbaren historischen Erbes formt. Es ist eine Form der Annäherung und Wahrheitssuche, die nicht auf der Auseinandersetzung eines einzigen Autors oder einer Autorengemeinschaft fußt, wie sie traditionell in Buchform erscheint. Mit den heute zur Verfügung stehenden technischen Mitteln besteht die Möglichkeit die Annäherung auf eine breite Basis zu stellen, die eine permanente Aktualisierung ebenso ermöglicht wie individuelle Auseinandersetzungen, ohne einen einzigen Ansatz dabei festzuschreiben.

 

- Gabriele Fecher